Berichte und Erinnerungen der ehemaligen Seemannsschüler Falkenstein aus Ihrer Seefahrtzeit


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Habe hier einen ganz tollen Bericht über Christian Kandlers Seefahrtzeit, die leider sehr kurz war und sollte man seinen Aussagen glauben, bereut er es sehr, das die Zeit so kurz war. Kann ich aber nach vollziehen, habe den selben Fehler auch gemacht, obwohl meine Zeit doch immerhin 9 Jahre betrug. Der größte Bestandteil dieses Berichtes gehört der "Etha Rickmers", also nicht so viel von der Seemannsschule, aber das ist auch egal, es fing ja alles mit der Seemannsschule an und da hatte man eben die kürzeste Zeit seiner Seefahrtzeit verbracht. Also, freut Euch auf einen tollen Zeitzeugenbericht über Christian's Seefahrtzeit und ich selber bedanke mich auch über diese tolle Story. Vielleicht findet das ja Nachahmer, würde mich sehr darüber freuen
 

Meine Seefahrt 1963/64:
In der Mosesfabrik „Falkenstein“ und als Moses und sieben Tage als Jungmann an Bord der „Etha Rickmers“ Wenn ich gewußt hätte, was nach meiner Seefahrt alles auf mich zugekommen ist,wäre ich mit Sicherheit weiter zur See gefahren. Leider hat und konnte mich keiner an Land beraten.So hat meine weitere Berufsausbildung und mein Leben im Grunde genommen eine Schlangenlinie erleben müssen, bis sie sich zu einer für alle und für mich besonders gradlinigen Bahn verlief.Aber, wie ihr alle wisst, und wie es uns allen ergeht, ich hätte eine andere Gefährtin meines Lebens gefunden.Der Schicksal spielt also eine sehr große Rolle. Wir können es nicht beeinflussen.So hat es sich in der dem Menschen eigenen Weise ergeben.Wir haben uns nicht gesucht und doch gefunden.Ob ich gerade sie, die ich heute von ganzem Herzen liebe, je gefunden hätte?Eins weiß ich jedoch heute, ich habe bei der Seefahrt viel verpaßt.Wie hat das alles angefangen, das fragt man sich selbst ?Ich habe sehr schnell lesen gelernt und konnte daher sofort die Zeitung lesen.Und irgendwann wurde ich als kleiner Junge krank. Das passierte damals in den 40ern und 50ern schon mal öfters, es gab ja noch nicht, jedenfalls in Deutschland,die entsprechenden Gegenmittel. Wir hatten gerade einen Krieg verloren.So lag ich nun darnieder. Da holte mein Vater vom Dachboden den geretteten „Graf Luckner“ „Seeteufel“. Ich habe ihn gefressen. Und dann irgendwann später holte er den Kapitän „Karl Kircheiß“ mit seiner Weltumseglung.Ich war hin und weg.Dann ein Robinson Crusoe von der Nenntante Erna. Die Ausgabe aus 1800 Schnee.Und alles natürlich in Fraktur.Wie oft ich meine Luckners und Kircheiße gelesen habe weiß ich nicht mehr.Zehnmal reichen nicht.Mein Berufsziel stand fest: die Seefahrt.Dazwischen galt es allerdings einige Hürden zu bewältigen.Ich hatte es gerade so mit miesesten Ergebnissen auf das Gymnasium geschafft.1945 war ein geburtenarmer Jahrgang, das war mein Pech oder Glück. Alle wurden genommen.
Es war eine Qual, Englisch, Latein, Mathe und ich hatte keinerlei Antrieb.Im Grund genommen haben alle Fächer mich nicht interessiert.Um es klar auszudrücken, sie haben mich angekotzt.Schon in der „Volksschule“ war das der Fall gewesen, das ganze System stimmte und stimmt bis heute nicht.Ohrfeigen vom Lehrer, als ich das meiner Mutter erzählte war sie erschreckt, aber als herzensgute Frau im katholischen Glauben erzogen, hat sie es hingenommen.Anders mein Vater, als der zum erstenmal hörte daß der Pfaffe meinem Bruder,seinen Lieblingssohn, eine geklatscht hatte, hat er ihm Schläge angedroht. Aber er war auch nie kirchengläubig gewesen und schon mit zwanzig Jahren aus der Kirche ausgetreten.Danach hatten wir beide es wesentlich leichter.Religion mit dem Auswendiglernen christlicher Lieder war einfach widerlich, aber ich wurde ja nicht mehr abgehört.Vor Beginn der zweiten Klasse hatte ich sowieso noch nie etwas von Gott oder Jesus gehört.Mit Rasierklinge und Stecknadel Blätter zu bestimmen in Biologie. Spannend !!! und das in der Quinta ( sechste Klasse).Ich habe gelitten unter der Schule. Seltene Höhepunkte halfen mir die Tiefen zuüberstehen. Alle Lehrer hatten ihre Wunden aus dem Krieg physische wie psychische.Bis zur mittleren Reife hatte ich endlich ein wenig die Logik des Lateins (später hatdas mir sehr viel geholfen) verstanden und ich wurde besser, dann ging aber es auch im April 1963 nichts wie raus der Schule.Ich hatte meinen Vater bereits im Februar 1963 vierzehn Tage jeden Tag nach seiner Arbeit bearbeitet „Ich will zur See“, daraufhin wurde er weich und hat mich an der Seemannschule angemeldet. Vorher noch der Amtsarzt Kassel: „können Sie mich hören:geflüstert eins fünf“.Ich habe dann an der Tankstelle meines Vaters gearbeitet bis zum Beginn der Schule.

Beginn der Seemansschule Falkenstein am 01.07.1963
Ich habe sie von Anfang an gemocht, es war eine gute Anstalt, in der wir Schüler ausgebildet wurden. Den Geruch des Takelbodens mit dem Manilatauwerk habe ich heute noch in der Nase.Von meinem Bruder dem Kapitän (er hat erst fünfzehn Jahre später nach mir dieSeefahrt kennengelernt) habe ich heute noch Manilahanf. Gerne schnüffle ich daran.Irre! Die straffe Ordnung in der Seemannsschule Falkenstein ist mir nie schwer gefallen.Ich fand sie gewachsen. Wir waren ohne Ausnahme an der gleichen Sacheinteressiert.Dagegen hat mich die Bundeswehr angeekelt, weil ich keinen Sinn erkennen konnte,war ich doch besseres gewohnt.Der Leiter Kapitän Richter führte ein strenges Regiment.Wir hatten alle das Lehrbuch „Decksarbeit“ von seinem Vorgänger Kapitän Ernst Wagner, ein mehr auf die Arbeit auf Segelschiffen ausgerichtetes Buch. Ich beantragte mir von meinem Konto den Betrag zum Kauf für ein Buch der Seeberufsgenossenschaft das „Matrosen ABC“ auszuhändigen. Was folgte war ein Verhör, wieso ich mir ausgerechnet das Buch (unausgesprochen der Arbeitnehmervertreter) kaufen wollte. Ich habe mich durchgesetzt.Ein gutaussehender Mitschüler erzählte mir im Vertrauen, daß er am einem vergangenen Wochenende mit Freddy Quinn und anderen auf einer Yacht auf der Elbe gesegelt sei. Es wäre sehr schön gewesen. Kurz darauf habe ich ihn nicht mehr wieder gesehen.Während unserer Ausbildungszeit hatte sich Kpt. Richter ein kleines Segelboot zugelegt, es lag bei uns im Hafen, ich habe ihn darum beneidet.Fünfzehn Jahre später hatte ich selbst das gleiche Boot ein Finn Dinghy.In den Monaten Juli bis September hatten wir gutes Wetter.Wir sind mit unseren Kuttern auf der Elbe gesegelt und schwimmen gewesen. Nur zum Hahnöfersand durften wir nicht, dort war die Jugendarrestanstalt.An Wochenenden beobachteten wir dir Segler auf der Elbe, wie sie kenterten und wieder rausgeholt wurden.Ich habe das Kentern, bzw. das Umschlagen auf dem Finn gelernt. Am Ende wurde ich nicht nasser als bis zu den Knien. Heute segle ich ein kleines schnelles Kielboot,einen Yngling. Wenn der ins Gleiten kommt fängt er an zu brummen durch die Vibrationen.Die Schule hatte einen engen Kontakt zur Sietaswerft. Auch ich hatte mich gemeldet auf einem Kümo zu fahren. Dort herrschten bei Neubauten der Sietaswerft familiäre Verhältnisse, da die Kümos von heimischen Familien aus den Landen bereedert und deren bekannten Nautikern befahren wurden Die zukünftigen Mosesse nahmen an den Jungfernfahrten teil und musterten dann dort auch an.Das durchkreuzte mein Vater. Er besuchte mich und sprach mit dem Kapitän Richter unserem Schulleiter. Das Gespräch muß folgenden Verlauf genommen haben:„Der fährt doch sowieso nur einmal, lassen Sie ihn mal weit aus fahren, dann kommt er von alleine zurück.“Das Ergebnis war, ich fuhr bei Rickmers mit. Auf Deubel komm raus. Mit einem Ausbildungsvertrag, den ich eigentlich durch die Kümofahrerei umgehen wollte.Denn entweder sechs Monate Kümo oder Ausbildungsvertrag über zwei Jahre bei einer Reederei um bei der dreijährigen Ausbildung zum Matrosen die Kümofahrerei zu umgehen.An die Ausbildung an Bord hat sich nach zwei Monaten von der Reederei keiner mehr gehalten.Nach der Seemannsschule wieder Arbeit an der Tankstelle bis zum Beginn desAnmusterns auf der Etha. Ich hatte meinen Vater nicht durchschaut.

Auf der „Etha“ 11.11 1963
Meine Eltern hatten mich an Bord der „Etha“ abgeliefert.Meine Mutter heulte noch „ mein Minchen“. Ich war ihr Erstgeborener und wie sie auch noch zu anfangs Belgier.Der Erste brachte mich nach Achtern in die Mannschaftsmesse.Da saßen sie die Matrosen zur nachmittäglichen Smoketime.Der gerade eben zum Jungmann gewordene Moses nahm sich meiner an: dann kannst Du ja gleich weiter abwaschen, oder so etwas Ähnliches.Ich tat, wie mir befohlen. Gott sei dank hat er abgemustert. Er hatte etwas von einem Schinder in seinem Charakter.Die Arbeit war leicht zu lernen, Geschirr spülen, abwaschen, Brot schneiden, Kaffee machen (später die Zichorie so dosieren, daß es keiner merkte) und auf- und abräumen. Die Messe aufwischen oder alternativ die Mannschafträume reinigen.Und das Tag für Tag.Und ich mußte die Sprache lernen, denn die Umgangssprache war Platt.Wir lagen noch in Hamburg und kamen dann ins Schwimmdock. Alle Schotten waren offen, ich habe die erste Nacht vor Krach, die Diesel liefen, kaum ein Auge zugemacht.Eines nachts ging die Tür auf, unser Zweiter guckte sturzbesoffen rein: „Hei Moses,willste mal f…..“. Mein Kumpel und ich hatten keinen Bedarf, und ich war sowieso noch Jungfrau. Von ihm weiß ich es nicht.Das war der erste ernüchternde erste Eindruck der Seefahrerei.Abends gingen wir auf Rolle in Hamburg.Mein Moseskollege war da fitter als ich, er kam aus Berlin und hatte dort schon den Duft der großen weiten Welt mit den Amerikanern kennengelernt.Wir gingen in den „Top Ten“ Beat Club. Es war furchtbar, diese Musik gefiel mir nicht.Ich kannte nur den Hessischen Rundfunk und der war 1963 noch nicht soweit gewesen Rock´n Roll oder Beat zu präsentieren.Zu meinem achtzehnten (15.11.1963) meinte der Kumpel :„man feiert das nur einmal“.Ich kaufte vier Flaschen Bier, ich kostete eine, den Rest trank er. Ich kannte nur Zitronenlimonade.Auf einer Werft nebenan lag eine neuer Zerstörer der Bundesmarine im Bau. Wir haben ihn Nachts besichtigt. Überall standen verpackte Klosetts rum und nur Enge.Am Ende mußten wir uns beeilen, weil die Wachleute kamen.Nebenbei ein Stapellauf, so etwas kannte ich auch nur aus Filmen und habe es auch nie wieder gesehen.
Auslaufen Hamburg, November 1963
Morgens ein Blick aus dem Fenster, grünes vernebeltes Elbufer.Dann auf die Nordsee, leer in Ballast. Windstärke neun, ein Vorgeschmack auf die See. Der Kasten stampfte, jedes soundsovielte Mal schlug er auf die Wellen auf.Ich mußte die Kammern der Mannschaft reinigen, zuerst mit einem Eimer für den Abfall, kurz darauf mit zweiten. „Moses, Du siehst ja schlecht aus.“ „ach ja mir gehts gut.“Ich habe mir, wie man so schön sagt, die Seele aus dem Leib gekotzt.Abends kurz nach dem Abendessen Kursänderung Südwest Richtung Kanal,der Wind kam jetzt von Steuerbord vorn, das Schiff rollte jetzt nur noch. Sofort überkam mich ein Heißhunger, ich aß sofort die restlichen Zitronenscheiben vom Abendtee.
Einlaufen Dünkirchen
Die Maschine lief rückwärts, ich kannte das noch nicht, das rumpelte und bockte, die Schraube wühlte Sand vom Grund in die grüne See. Ich fragte einen der Matrosen was ist denn das, lakonisch antwortete er, so macht das Schiff immer, wenn es über Grund geht.Es war Outsche (Otto). Eine Seele von Kamel, einfach gestrickt. Er hatte, damals aktuell, Kinseys Sexual Report mit. Er hatte damit wohl Probleme.In Dünkirchen nahmen wir Dünger für China auf, ca. 11.000 Tonnen, eine schwimmende Bombe.Dann die Nachricht Kennedy ist erschossen worden. Alle Schiffe flaggten auf Halbmast. Wir bekamen damals noch Nachrichten per Funk, also eine kleine Zeitung in Stichworten alle paar Tage.Dann ab nach Suez. Im Sturm durch die Biscaya. Es war ja Winter.Durch mein Pantryfenster nach achtern sah ich beim Abwasch abwechselnd die See oder den Himmel.Übergeben mußte ich mich nicht mehr, aber ich bekam Hitzewallungen und Schweißausbrüche.Nach und nach legte sich das aber und ich war doch recht kurzzeitig „seefest“ Heute kann ich das von mir nicht mehr behaupten. Aber vierzig Jahre hat es vorgehalten.In der Straße von Gibraltar ein U-Boot, von uns aus gesehen ein winziger Punkt. Ich habe es fotografiert.Im Winter durch das Mittelmeer und den Suez, das Wetter wurde besser.

Der Suezkanal und das Rote Meer
Das erste mal, rechts und links nur Wüste und dazwischen nicht abgespülte Tellerund Tassen in meiner Pantry.Dann das roteMeer.Hier jetzt ein Bericht an den Hessischen Rundfunk aus dem südlichen roten Meer:„Ich möchte ein interessantes Erlebnis zu MW-Empfang auf See berichten.Ich bin ein Baujahr 1945. Schon als kleiner Junge hatte ich einen eigenen Volksempfänger,bis er denn kaputt war, repariert hat das keiner mehr, es war einfach kein Geld dafür da.1963/64 fuhr ich als Moses auf der MS „Etha Rickmers“.Wir waren in der südlichen Rotsee. ( Der Seemann sagt See zu Meer, nicht aber zuOzeanen) Es war ein Donnerstagabend, so etwa sieben Uhr MEZ, ich hatte dieMannschaftsmesse gerade aufgeklart ( auf deutsch alle Tassen und Teller und die Tische abgewaschen). Da fiel mir ein, schaltest doch mal unser nie genutztes Superradio mit dreiKurzwellenbereichen und natürlich auch Lang- und Mittelwelle ein.Unsere aus heutiger Sicht größtenteils doch recht einfältigen Matrosen haben das Gerät nicht ein einziges Mal eingeschaltet !Und ich hatte so ein tolles Radio vorher noch nie gesehen.Um die Zeit lief nämlich im Hessischen Rundfunk immer die Schlagerbörse mit Hans Werres (später Programmdirektor Unterhaltung im HR).Gedacht, getan und tatsächlich auf 594 kHz höre ich ca. dreitausend Kilometer von zu hause entfernt die Schlagerbörse mit ihm.Mir ist es eiskalt in den Tropen über den Rücken gelaufen.Aber es ging noch weiter.Als die Sendung vorbei war, ein ungetrübter Genuß war es nicht unbedingt gewesen, habe ich fleißig weitergekurbelt und die Wellen so ein bißschen abgesucht.Auf einmal hörte ich einen Sender auf Kurzwelle der ununterbrochen die drei Strophen von„Kiss me, honey, honey, kiss me Thrill me, honey, honey, thrill me Don't care even if I blow my top But, honey, honey, don't stop „herunterdudelte. Ich habe es viel länger als eine viertel Stunde ausgehalten.Bis heute habe ich mir keinen Reim darauf machen können. Es wird nach diesen Jahren auch keine Erklärung dafür mehr zu finden sein. In Südostasien haben wir vieleamerikanische Schlager gehört, in China waren alle ausländischen Sender gestört. Soweitdie Mittel- und Kurzwelle auf See.“

Bunkern in Djibouti
Die kleineren Häfen wie Djibouti wurden von uns mit Stückgut beliefert. Wir Seeleute wußten nicht, was sich in den Stückgutcollies befand. Wir fuhren aber die Häfen regelmäßig an.Dann die Indische See. Etwas herrlicheres als diesen Ozean habe ich nicht erlebt.Warm, starker Wind, wir auf unserem Schiff waren eine Einheit mit der See, das sich mit seinen Schraubenumdrehungen den jeweiligen Zielen näherte.Die Mannschaftsmesse und die dazugehörige Pantry waren achtern an Backbord, im Gang ein Telefon. Durch diesen Gang kamen immer die Maschinisten zu zweit mit eine Tonne an einer Stange, sie war zu schwer für einen und kippten sie achtern in die See. Altöl aus den Maschinen. Aus heutiger Sicht eine Katastrophe ! An Steuerbord durften sie nicht gehen, dort war nämlich die Offiziersmesse mit den Stewards und Messboys.Ein weiteres Unding, aber im Vergleich zu dessen harmlos war die Fulbraas. Das war ein ca. fünf Meter langer Sack aus Leinen oder Hanf in den die Essensreste während der Hafenliegezeiten gekippt wurden. Nach dem Auslaufen in tieferes Wasser wurde die Reißleine gezogen.Wegen der Hitze und der ausgeschwitzten Flüssigkeit hatten wir in unserer Pantry im Eisschrank immer einen Riesentopf mit Sirup und Wasser, das Zeug nannte sich„Kujambel“. So schmeckte es auch.Zwischen der Offiziers- und der Mannschaftsmesse die Küche.Der Koch mochte unseren Bootsmann Uwe Gasow nicht und umgekehrt.Der Koch spuckte demonstrativ vor mir seine Eierspeise.Wenn ich das dem Bootsmann gesagt hätte, hätten die beide sich geprügelt und ich hätte vom Koch noch eine Tracht dazu bekommen, weil ich ihn verpfiffen hätte.Diplomatischerweise habe ich die Schnauze gehalten. Den Mut ihm ins Gesicht zu sagen, das gebe ich weiter, hatte ich auch nicht.Mit unserem Bäcker dagegen verstand ich mich gut. Wir hatten gegenseitig unsere Spitznamen.Der Bootsmann und unser Zimmermann Gutkowski spielten einmal pro Woche mit dem Alten Monopoly. Da war ein direkter Draht von unten nach oben geschaltet.Der Alte „Kapitän Witt“ war sowie ein ausgekochter Fuchs, max. 1,65 Meter groß hatte er alles im Griff. Ein Kümofahrer sprach ihn aus Gewohnheit mit „Käptn“ an,das verbat er sich aber knallhart: „Für Sie Herr Kapitän“.Aber für die Rickmersreederei hatte er seine Meriten.Er war der erste Kapitän der Rickmersfahrer, der nach dem zweiten Weltkrieg nicht südlich um Taiwan fuhr sondern direkt die „Formosastraße“ nutzte, zwischen Rotchina und Taiwan.Bei der Durchfahrt wurden wir allerdings jedesmal von den Amerikanern gestoppt und kontrolliert: „What Ship, Destination ?“ Alles per Lichtmorsen und der Zerstörerumkreiste uns. Im Morgendunst, schön gespenstig.Das ersparte der Reederei allerdings Geld und Zeit, vor allem Geld, denn Zeit spieltedamals nicht so eine große Rolle.
Einlaufen Malakkastraße
Es war Weihnachten 1963.Große Kochpötte wurden aufgeheizt mit Punsch für alle und der Kapitän schenkte uns Mannschaften je zwei Päckchen Gloria Zigaretten. Das erste verschenkte ich noch, dann nach ein paar Gläsern Punsch, das zweite aufgemacht, ein paar Züge und anschließend 25 Jahre geraucht.Im Verkauf waren diese Glorias später nicht mehr, wir haben Winston geraucht.Ich vermute das waren Restbestände, die der Alte loswerden wollte und warscheinlich irgendwo besonders preiswert eingekauft hatte.
Einlaufen Bangkok
Das ist ein eigenes Kapitel ! Wir liefen den Menam River mit der Tide hoch, festmachen in Bangkok.Vorher noch Versammlung in der Mannschaftsmesse: Der Alte las uns denParagraphen 111 aus dem Seemannsgesetz vor, das Motto es ist verboten fremde Personen mit an Bord zu nehmen. Der wußte, was gleich abgehen würde.Danach haben wir ihn in Bangkok eine Woche lang nicht gesehen.Ich hatte so oft wie immer Backschaftsdienst und war achtern an Bord.Der Messmurphy aus der Offiziersmesse forderte mich auf ihm zu helfen.Ich hatte keine Ahnung worum es ging.Los achtern, die Lotsenleiter runter gelassen. Kaum getan, kamen die langen Boote der Thais an und eine junge, hübsche Frau nach der anderen kam an Bord. Es dauerte nicht lang und unsere Mannschaftmesse war ein Basar auf dem die Frauen verschachert wurden.Allen voran der Messsteward, der die Frauen auf die Kammern der Ingenieure verteilte, die noch in der Maschine arbeiteten ! Dazwischen die Matrosen, die sich kurz von Deck stahlen und den Mädels ihre Schlüssel gaben und die Kammern zuwiesen.Dann mittendrin vorn drin im Quergang Kuddel Lange unser Zweiter mit einemKarton „Gloria Tropenfest“ Präservativen zu mir: „Hier Moses, vier dir reichen doch.“Ich habe nicht einen benutzt.Mama San die Puffmutter hatte mich gleich als unerfahrenen Dummen in unserem Basar ausgeguckt und wollte mir ein kleines Pummelchen 12/13 Jahre alt andrehen,es guckte mich angsterfüllt an, als Dreingabe sollte ich einen Liter Coca Cola bekommen. Diese Größe kannten wir damals noch nicht.Das war mir unerfahrenen denn doch zuviel. Ich habe ich mich aus dieser Angelegenheit herausgezogen und mir eine erfahrene 28jährige ausgesucht.Nur die war so clever und hat mich am nächsten Tag um meine restlichen 100 Bath(20,00DM) gebracht. Danach war ich in Bangkok pleite. Ich war ja ein armer Moses,aber um eine Lebenserfahrung reicher.
Nur hat es mir nicht geschadet. Ich war ja ein lieber Junge und ließ bei mir auch Frauen in der Kammer auf der Bank schlafen und ihnen passierte nichts, sie baten nur um eine Decke, unsere Klimatisierung waren sie nicht gewöhnt und froren.Oder ich gab einer ein Mittagessen, was über war. Bei der nächsten Fahrt hat sie mich wiedererkannt und mich herzlich begrüßt. Ich habe kein Wort verstanden, aber sie muß folgendes gesagt haben: “Du hast mir damals ein Essen gegeben, ich dankedir.“Eine weitere hatte sich in mich achtzehnjährigen verguckt und schrieb mir ihre genaue Adresse auf und schenkte ein Foto, auch sie war schon ein wenig älter als ich. Vielleicht hoffte sie, daß ich sie irgendwann mitnähme. Sie muß es sehr ernst gemeint haben, denn die Adresse war genau. Wir sind nicht miteinander in die Koje gegangen, sie hat mich auch so gemocht. Ihr Name war Eow Sintana.Ich habe es vergessen wie „sie“ hieß, auch sie hat bei mir übernachtet, sie war so jung wie ich. Da es ja kühl bei uns war kam sie zu mir in die Koje und auf mich und unter die Decke im gemeinsamen Rhythmus schaltete sie die Kojenleuchte an und aus. Es hat mich keinen Baht gekostet und uns beiden eine Riesenfreude bereitet.Ich kann nur von mir behaupten ich habe diese Mädels (Frauen), sie waren ja in etwa meinem Alter nie als Huren betrachtet, klar wir hatten unsere Freude mit ihnen, wir haben sie jedoch als liebe Menschen wahrgenommen und nicht verachtend.Im Gegenteil Bangkok war damals unser Höhepunkt, wenn die jungen Frauen zu uns kamen. Mit dem Verdienten haben sie lediglich ihre Familien, Mütter und Kinder ernährt. Das sind eigene Erfahrungen.Erst heute beim Niederschreiben dieser Erlebnisse fällt mir auf, daß mein Moseskollege abends nie an Bord war. Der war ein Ecke cleverer als ich. Vielleicht war er andersherum gestrickt.
Hongkong Kanton Shanghai
Unsere Düngerladung haben wir in China dort abgeladen, wo sie gebraucht wurde.An die Häfen erinnere ich mich nicht mehr, es waren einige und im Gegensatz zur zweiten war es eine schnelle Reise. Es ist zu bemerken, daß die Schiffe damals mit Baggern in China entladen wurden.Kurz vor Hamburg telegrafierte ich nach hause „ bitte einen Mohnstollen“, die Mannschaft lachte, von wegen Postgeheimnis.Aber die Eltern hatten es verstanden. Mein Vater holte mich mit unserem Mercedes ab und so kam ich auch zurück.
Hamburg März 1964
Mit unserem Schwergutbaum nahmen wir gleich eine Henschellokomotive aus Kassel als Deckslast. Die „Etha“ beugte sich um achtzehn Grad zur Seite.Dann nach Newport in den Bristolkanal. Das ganze Schiff wurde mit Walzblechen für China beladen.Abends gings an Land.Eine elektrische Hafenlokomotive kam mir hafeneinwärts entgegen, Anhalterdaumen nach oben, auswärts. Dann kam sie zurück und hielt, ich stieg ein und der Führerstand war voll mit englischen Arbeitern, das war echte Solidarität, die fragten nicht lange, sie handelten.Abends im Hafenpub. Ein Riesensaal alles voll mit unseren Hafenarbeitern in ihren Anzügen, die sie auch an der Arbeit anhatten, alle verstaubt und dreckig. Aber Stimmung und Musik. 22.30h Last Order Please.Rostfahren durften wir nicht, während sie arbeiteten. Dann haben sie ihre Arbeit niedergelegt und eine Abordnung kam zu uns, es ging nur weiter, wenn wir unseren Krach eingestellt hatten.Mein Moseskollege und ich hatten zwei englische Mädels in Newport aufgerissen und wir waren mit ihnen in ihrem Haus. Abgesehen, daß ich zu doof war mit einer was anzufangen, war ich betroffen über das Haus. Solche Lebensbedingungen in einem zivilisierten Land hatte ich nicht erwartet. Gepinkelt wurde in der Küchenecke.Von meinem Restgeld der Rückreise meiner ersten Fahrt hatte ich mir ein kleines Loewe Opta Tonbandgerät erbeten, ich bekam es mit den neuesten Beatlessongs.Mein Bruder hatte es ausprobiert und eine Reihe der neuesten Songs aufgespielt.Endlich begriff ich es: das war Musik. Und dann in einer Beathalle in England „Can´tbuy Me Love“. Tolle Musik. Nur die Mädels wollten nicht mit uns tanzen.
Zurück nach Hamburg
Wieder ein neuer Koch, der alte hatte sowieso die Nase voll von unserem Bootsmann, der kurzzeitige Koch Hamburg Newcastle Hamburg, ein älterer Herr,wurde abgemustert, er war wohl der Aufgabe nicht gewachsen.Hamburg: Übernahme einer zweiten Henschellok, Beide wurden unter Deck verfrachtet.Und der neue Koch.Erneut Ausfahrt Hamburg.An Portugal vorbei, dort nahm ich aus dem Radio per Mikrofon von den Beatles „With Love from Me to You“, zwar atmosphärisch leicht gestört, aber gut auf.Um das phantastische Kap Sao Vincente in Portugal herum nach Ceuta bunkern,dann nördlich Sizilien an den Liparischen Inseln (Vulcano) vorbei durch die Straße von Messina direkt ins Montenegrinische Zelenika.Monte Negro ankern auf Reede Unser Auftrag war zwei Schnellboote für Kambodscha zu laden mit unserem 165 to Schwergutbaum. Nur das klappte nicht sogleich. Einige Zentimeter fehlten und wir bekamen die Boote nicht über die Verschanzung.Guter Rat ist nicht preiswert sondern wirklich teuer, es wurden zwei neue Quertraversen vor Ort angefertigt, sie waren wesentlich niedriger geschnitten. Das dauerte insgesamt drei Tage. Danach konnten wir weiterfahren.Und hinten im letzten Laderaum einen Opel Record Modell A für Doktor Hugentobler in China.Wir gingen jedenfalls per Fährboot unbesorgt an Land und genossen es, allerdings nur einen Abend.Wir waren in einer herzlichen Kneipe in Zelenika, alle waren in einer guten Stimmung, die Yugos ebenso. Ein Scherenschleifer, der Deutsch sprach,brachte mir eine Angebetete, die sich aber nichts aus mir machte, mit „melodovinia gospodischnia „ anzureden, was soviel wie allergnädigstes Fräulein heißen sollte.Genutzt hat es nichts.Leicht trunken machten wir, der Murphy und ich, uns auf den Heimweg.An einer Straßenkreuzung stand ein Motorrad und auch einer unserer Maschineningenieure. „Ein deutscher Ingenieur bekommt doch so ein Motorrad in Gang!“Wie aus heiterem Himmel stand ein baumlanger Polizist neben ihm, während er nochversuchte das Motorrad anzutreten. „L a s s e n  S i e  d a s .D a s  d ü r f e n  S i e  n i c h t  t u n“.Meinen nicht mehr so ganz nüchternen Messmurphy nahm ich an die Hand und imLaufschritt zur Bucht, wo das Fährboot lag. Weg von diesem Unglücksort.Dort waren Gräben gezogen zur See hin. Er sprang hinein.“ Ich schwimme jetzt rüber.“ Er schwamm gottseidank nur quer zum Graben. Auf mein verzweifeltes Rufen„Du ertrinkst“ kam er tatsächlich zurück.Ich habe dann die schlafenden Fährleute geweckt, die um ein offenes, ausgehendes Feuer in einer Hütte auf dem Boden schliefen. Es bestand nur noch aus Glut und ich habe das Boot selbst zu unserem Schiff gesteuert.Die ganze Geschichte ging so aus, wir bekamen Landgangsverbot und der Ing. mußte 280,00 DM Strafe bezahlen.Die beiden Schnellboote waren an Bord plus ihrer vier Yugoslawischen Begleiter und einem kleinen Laderaum voll hochexplosiver Munition.
 Dann wieder der Suezkanal und Djibouti.Dazwischen noch Einlaufen in Port Sudan.
Auch dort gab es einen Seemannsclub, nur kein Vergleich mit China. Wir haben dort gebadet bis die Außenluft kälter wurde als die Wassertemperatur. Zu Trinken gab es rote Zuckerlimonade. Furchtbar.Die Hitze hat mir nicht gut getan, trotz Hütchen habe ich einen Hitzschlag erlitten.Ich fiel einfach um und sah etwas um mich kreisen, das war es dann. Ich bin erst am nächsten Morgen in meiner Koje aufgewacht. Mein Moseskollege war ebenfalls umgekippt.Der Kapitän kam in unsere Kammer, wir hatten beide schon wieder geraucht. Seine erste Frage galt danach. Gottseidank der anwesende Messboy sagte er wärs.Im Hafen jedoch war es phantastisch die kreisenden Fischschwärme unter dem Schiff zu beobachten. Ab und zu kam ein Geschoß aus der Tiefe und holte sich seinen Teil.Was mich da besonders beeindruckte waren die Menschen, sie waren zwar dunkelhäutig, hatten aber durchaus europäische Gesichtsformen. Mit ihren Handwurfnetzen holten sie mal gerade handtellergroße Fischchen heraus, während sich im Hafenbecken Riesenschwärme tummelten.Mir kam damals die Frage auf, wieso Menschen, die so aussehen wie wir unter solchen erbärmlichen Bedingungen leben müssen.Andererseits haben wir den Gesang der schwarzen Hafenarbeiter nachgemacht, dievom Land kamen und die Haare mit Lehm verklebt hatten. Nur so lang bis uns einOffizieller ein unmißverständliches Zeichen gab.Soweit zum gesellschaftskritischen Weltbild eines Decksjungen von 1964.

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