Columbus Louisiana - Pazifische Operation


IA ORA – Willkommen auf Tahiti, eine Insel in der Weite des Stillen Ozeans, paradiesisch in ihrer Schönheit, wie sie Gott nur einmal erschaffen konnte. Es ist ein früher Dienstagmorgen, der 10. Februar 1987, Spätsommer in Auckland/Neuseeland, das deutsche Containerschiff „Columbus Louisiana“ der Columbus Line, einer Tochter der Hamburg – Süd, verlässt den Hafen. Sein Bauch ist großzügig voll beladen mit Fleisch, Milchpulver, Käse, Butter, Früchten, Wolle, Mineralien – alles bestimmt für Mittelamerika, vier Karibik – Inseln und die Ostküste Nordamerikas.
Ein großes, weites Meer, wahrlich kein provinzielles, liegt vor uns, selbst die Zeit passt sich dem an, wir entscheiden uns für zwei Dienstage: Überfahren der Datumslinie. Auf östlichen Kurs, südlich von Tuamotu – Atolle, führt unser Weg im Großkreis zum Panamakanal. Nein, kein seichtes Buch, für diese sommerliche Überreise ist „Don Quichote“ gerade das richtige.


So besinnlich beginnt dieser Bericht, doch bald ändert sich der Ton. Es folgt die Schilderung einer dramatischen Rettungsaktion, eines Wettlauf um ein Menschenleben. Bis Ende Oktober war die im pazifischen Crosstrade beschäftigte ,Columbus Louisiana“ erstmals seit ihrer Infahrtsetzung wieder in der Bundesrepublik, um auf ihrer Bauwerft — der Containerfrachter entstand 1979 bei Seebeck in Bremerhaven — verlängert zu werden. Kapitän S. und die Hauptperson des Berichts waren an Bord — Anlass genug den Ablauf des Geschehens Mitte Februar im Stillen Ozean den Lesern vor Augen zu führen, zumal nur die Medien in Tahiti damals darüber informierten. Weiter also im Kapitänsbericht: 12. 2. 1987. Heute ist ,,Seemannssonntag", der Donnerstag, zum Nachtisch gibt es Eiscreme mit Früchten; die Mittagsposition: 33° 06’ S 161° 13° W. 1000 SM (= 1852 km) entfernt liegt in der Richtung NozN, weit außerhalb unseres Weges, Tahiti. Der Bordelektriker fühlt sich unwohl und verzichtet auf das gute Mittagessen. Am spaten Nachmittag fühlt sich der Bauch des Erkrankten gar nicht gut an; der Elektriker hat schlimme Schmerzen, wir messen erhöhte Temperatur, beunruhigend sein Pulsschlag. Hinter uns, 1500 SM entfernt, Nahe Fidschi, steht das deutsche Forschungsschiff ,Sonne“. Der Kapitän der ,,Columbus Louisiana" berät sich mit dem Schiffsarzt der ,,Sonne“ und entscheidet: Kursänderung und tragt folgendes in das Schiffstagebuch ein: ,,19.30 Uhr, nach Telefonat mit dem Arzt der Sonne", 29° nach Papeete/Tahiti. Der Elektriker W. windet sich in starken Schmerzen, ausgehend vom Bauch, verbunden mit einem Krankheitsbild, das eine zwingende Ausschiffung fordert. Amver Honolulu auf Oahu informiert, kein Schiff mit Arzt für uns erreichbar. Rescue Center Tahiti wird informiert, ebenso Reederei und Agentur Tahiti. Halten durchgehend Krankenwache.“ Bei AMVER (Automated Mutual-assistence Vessel Rescue System — Automatisiertes System für gegenseitige Hilfe und Rettung von Schiffen) handelt es sich — dies zur Erläuterung — um einen weltweiten Dienst der US-Coast Guard zur Koordinierung von Rettungsaktionen auf See. »Erhalten auf 500 kHz keine Antwort auf die abgesetzte Dringlichkeitsmeldung an alle Schiffe — die Anfrage lautete: Ist ein Schiff mit Arzt in der Nähe? Die Reederei Hamburg-Süd in Hamburg erhalt folgendes Telegramm: ,Columbus Hamburg — 12/1930 ändern Kurs/29 Grad ETA/151200 Tahiti DANN/BLB ETA/271200 Arzt/von Sonne/DFGG fordert sofortige Ausschiffung von W. innere schwerste Schmerzen Bauchraum eventuell Durchbruch versuchet auch/ihr Amitahiti mitzuteilen benötigen Helikopter oder ähnliches wenn/in Reichweite Restmeilen 13/2/0030 940/16.3 KN“ Der Schiffsagent in Papeete erhält folgendes Telegramm: *,Amitahiti Papeete — ETA/151000 Papeete Seaman E/Winkler German 43/years needs operation abdomen serious stop please inform operational range/of planes/or helicopter my/ course 29/degrees speed 16.5/kn 13/0100 remaining n/miles 933 regards master S.*
Der Zustand des Patienten verschlechtert sich, Fieber, schwerste Schmerzen, trübnis seiner Wahrnehmung. Elende Beschaffenheit der Bauchdecke, da hart und stramm. Wir können nur wenig Hilfe geben. Und wäre ein Schiffsarzt an Bord: die Ausrüstung des Operationssaales reichte nicht aus bei der Schwere des Falles. Das große Meer ist jetzt gleichzusetzen mit Zeit: Ein Wettlauf um ein Menschenleben. Aus dem Meer kam alles Leben, sollte es sich jetzt gegen das Leben stellen? Die Reichweite des Größten Hubschraubers auf Tahiti betragt 400 SM, und das Entgegenfliegen von etwa 200 SM dürfte wohl für den Patienten schon zu spät sein. Der Kapitän respektiert die mutige Entscheidung des französischen Militärs: Man entschied sich, von Papeete 312 SM nach Rurutu zu fliegen, um zwischenzutanken (am 14. August 1769 sah Captain Cook als erster Europäer diese Insel). Aus 200-Liter-Fassermn wird mittels einer Handpumpe der Brennstoff in den Tank des Helikopters befördert. Von dort fliegt der Hubschrauber uns weitere 143 SM entgegen und schwebt am 14. Februar um 06.06 über dem Schiff, kommend aus grauen, tiefen, nassen Wolken. Große Freude und Erleichterung; selbst der Himmel weint, als habe der große Ozean nicht genug des Wassers. Um 06.09 Uhr Arzt und technischer Helfer (Taucher) an Bord“, so vermerkt es der Kapitän im Logbuch. Ein zweiter Arzt ist im Hubschrauber. Nach einer kurzen Untersuchung durch den Arzt wird der Schwerkranke von Bay 2 in den Helikopter gezogen. An die Telegrammadresse ,,Amitahiti Papeete® (Schiffsagent) wird folgender Text abgesetzt: *14/0620 Seaman E/W. off/board with helicopter superpuma position 2430s 15300w thank you for/your great operation regards S.* 

Gegen 06.20 Uhr dreht der Hubschrauber ab; nur Sekunden später verschluckt die tropische, dampfende Luft zunächst ihn und dann auch seine Motorengeräusche. Das Luftfahrzeug ,Superpuma“ entschwindet in Richtung 38° nach Rurutu, das Wasserfahrzeug ,,Columbus Louisiana“ verlässt den Kurs 38° und ändert auf 87° zum nächsten Kursänderungspunkt, Korallenriff Temoe. Das Unternehmen wurde bei Seegeschwindigkeit durchgeführt, der Hubschrauber schien zu stehen, obwohl alles in Bewegung war, das Schiff rollte in langer Dünung. Hochachtung dem Piloten für seine präzise Arbeit! Der Helikopter legte 910 Seemeilen zurück. Es war die erste Bergung mit Hubschrauber in diesem Gebiet, in der Sache fein geplant und erfolgreich beendet. Für die ,,Columbus Louisiana“ ist zu vermerken: Sie fuhr einen Umweg von zwölf Stunden und verbrannte dreißig Tonnen Brennstoff in dieser Zeit, was für ein Schiff dieser Größe Mehrkosten von ca. 25000 DM sind. Reise-Soll von Auckland nach Balboa: 6543 SM Reise-Ist von Auckland nach Balboa via Nahe Rurutu: 6737 SM Deviation 194 SM bei 16,17 SM/h = 12 Stunden Zeitverlust Mehrverbrauch: Schweröl = 24,8 mt, Dieselöl = 5,2 mt, Zylinderöl  = 135 kg, Schmieröl = 30 kg.

Die gesamte Aktion — im wesentlichen Hubschraubereinsatz, Hospitalkosten und Deviation — verursachte Aufwendungen in sechsstelliger DM-Höhe — ziemlich genau sogar eine Schnapszahl! Nachmittags, am gleichen 14. Februar, wurde der Elektriker W. im Hospital Mamao operiert: es war ein Magendurchbruch. Bis zum 12. März blieb er im Hospital in Papeete. Nach anschließenden vier Tagen ambulanter Behandlung traten Komplikationen auf, so das der Patient vom 16.3. bis 23.3. noch einmal das Krankenhaus aufsuchen musste. Am 24. Marz 1987 konnte W. nach fast sechswöchigem Aufenthalt als Genesender von Tahiti heimfliegen. Die Öffentlichkeit Tahitis nahm starken Anteil an der Rettungsaktion, und während der letzten vier Behandlungstage fand der Patient sogar herzlichen Familien Anschluss. “ Am 10, Juni 1987 musterte W. gesund auf der ,,Columbus Louisiana“ wieder an, wo er auch in diesen Tagen wieder seinen Dienst versieht. Er wird bald wieder den Pazifik überqueren, vielleicht nicht allzu fern von jener Stelle, wo die rettende Übergabe erfolgte. S. und W. wiederholten in Bremerhaven von ganzem Herzen: ,,Allen, die uns halfen, ein freundliches Dankeschön, Maururu.”